Theorie und Praxis beim DIB-Seebestattungsseminar


Kapitän Albrecht zeigt, wie eine Urne der See übergeben wird

Fester Bestandteil des vom DIB Deutschen Institut für Bestattungskultur ausgerichteten Vorbereitungslehrgangs zum „Geprüften Bestatter“ ist das Seebestattungsseminar, das vom DIB seit einigen Jahren zusammen mit der Seebestattungsreederei Albrecht im ostfriesischen Harlesiel durchgeführt wird. Kapitän Benjamin Albrecht und DIB-Geschäftsführer Hermann Hubing vermittelten den Teilnehmern des aktuellen Lehrgangs im Rahmen einer praktischen Übungsfahrt umfassende Informationen und Eindrücke zur Vorbereitung und Ablauf einer Seebestattung. Dazu gehören, neben besonderen Rahmenbedingungen auch viele maritime Traditionen und Rituale, die bei einer Seebestattung Beachtung finden.

 

Die Reederei Albrecht stellte den Kursteilnehmern dazu die 20-Meter-Yacht „Nordwind“ zur Verfügung. Das Schiff wurde im Jahr 2018 in Dienst gestellt und ab Harlesiel eingesetzt. Sie ist für Seebestattungen im kleineren Rahmen vorgesehen und eignet sich für Trauergesellschaften von bis zu 12 Personen. Ebenfalls in Harlesiel liegt auch die 2009 in Dienst gestellte MS „Horizont”. Sie bietet Platz für bis zu 100 Personen und wurde exklusiv für Seebestattungen gebaut, eingerichtet und behördlich zugelassen.

 

Im Verlauf der Fahrt informierten DIB-Geschäftsführer Hubing und Kapitän Albrecht die Teilnehmer über besondere rechtliche Anforderungen und in diesem Zusammenhang auch über prüfungsrelevantes Fachwissen. Hubing erinnerte beispielsweise daran, dass an Bord offenes Feuer verboten sei und zum Beispiel Kerzen, ganz im Gegenteil zu ansonsten üblichen Begräbnisriten, bei einer Seebestattung nicht verwendet werden dürften. Albrecht beschrieb die nötigen Arbeitsschritte vor der eigentlichen Bestattung, so beispielsweise das Umfüllen der Aschkapsel in eine für Seebestattungen zugelassene Urne, die sich im Wasser vollständig auflösen müsse. Solche Urnen bestünden in der Regel nur aus ungebranntem Ton, Kalk oder Zellulose. Auch die Schnur, mit denen die Urne an einem Tampen befestigt, über Bord gehoben und ins Wasser abgelassen werde, sei aus Material, das sich nach einiger Zeit auflöse.

 

Besondere Regeln gelten im Übrigen auch für den Blumenschmuck, der zusammen mit der Urne ins Wasser gegeben werde, um die Stelle anzuzeigen, an der sie versunken ist. „Somit haben die Hinterbliebenen noch einen Punkt, auf den sie blicken können, um innerlich Abschied zu nehmen“, erklärt Benjamin Albrecht. Kleine schwimmende Kränze oder Ähnliches seien jedoch nur noch in der Nordsee gestattet, in der Ostsee dürften nur noch einzelne Blumen oder Blütenblätter genutzt werden. 

 

An Bord demonstrierte Albrecht den typischen Ablauf des Seebegräbnisses, von der Halbmastbeflaggung über das Aufstellen der Urne auf dem Achterdeck bis zum Läuten der „acht Glasen“, vier Doppelschlägen mit der Schiffsglocke, die in der traditionellen Seefahrt den Wachwechsel signalisierten. Wenn die Urne, die dem maritimen Brauch gemäß an der Steuerbordseite – in Fahrtrichtung rechts – der See übergeben wird, zeigt das Signal an, dass „die Wache auf Erden zu Ende gegangen ist“, erläutert der Kapitän. Ebenso zum Ritual der Seebestattung gehören der Ehrenkreis, der, ebenfalls über Steuerbord, um die mit Kranz oder Blumenschmuck markierte Stelle gefahren wird sowie das Signal mit dem Schiffshorn, einer letzten Ehrenbezeugung gegenüber dem Verstorbenen. 

Die Teilnehmer des Vorbereitungslehrgangs zum „Geprüfter Bestatter“ mit Kapitän Benjamin Albrecht (m. hinten) und DIB-Geschäftsführer Hermann Hubing (3.v.r.)

Als Nachweis der Bestattung dient der Logbuchauszug, der den Angehörigen ausgehändigt wird. Um den Trauernden einen weiteren Bezugspunkt zu geben, werden ihnen zudem auf der Rückfahrt die Koordinaten der Bestattung auf der Seekarte erläutert und übergeben. Zu diesen Orten bietet die Reederei mehrfach im Jahr auch Gedenkfahrten, außerdem haben die Albrechts seit April 2016 mit der „Brücke der Erinnerung“ einen Gedenkort an Land geschaffen, den Hinterbliebene jederzeit auch spontan besuchen können. An der „Brücke der Erinnerung“ besteht die Möglichkeit, Metallplaketten mit dem Namen des Verstorbenen und den Koordinaten des Begräbnisortes zu befestigen. Von der Gedenkstätte aus eröffnet sich zudem der Blick auf das Seegebiet, in dem die von Harlesiel aus beginnenden Begräbnisfahrten stattfinden.

 

Das Ziel des starken Praxisbezuges des Seebestattungslehrgangs ist, die Teilnehmer einmal den vollständigen Ablauf einer Seebestattung erleben zu lassen und einen Eindruck von der Feierlichkeit und Besonderheit des Ritus zu vermitteln, der für Viele den besonderen Reiz einer Seebestattung ausmachen. „Manche Trauergäste sprechen uns schon auf der Rückfahrt an und interessieren sich spontan für eine Seebestattung“, so Albrecht. Sie seien oft von den Kosten überrascht, die in der Regel deutlich höher eingeschätzt würden, als sie tatsächlich sind.

 

Den meisten sei darüber hinaus unbekannt, dass eine Seebestattung nicht mehr wie früher gesondert beantragt werden muss und für jedermann möglich ist. Gerade bei Menschen, die sich dem Wasser und dem Meer besonders verbunden fühlten, werde die Bestattungsform stetig beliebter. So seien es interessanterweise nicht wenige Nordseeurlauber aus Nordrhein-Westfalen, die sich von Harlesiel aus bestatten ließen, erläutert der Kapitän und Begräbnisunternehmer. Die besondere Freiheit und Weite, die das Meer als Bestattungsort vermittele, spreche Viele auf positive Weise an.

 

Zudem verbänden die meisten Menschen das Meer mit schönen Dingen: Erholung, Ruhe, aber auch Wassersport und eben Urlaubserinnerungen. Wer sein Leben hingegen berufsbedingt auf See verbracht habe, zum Beispiel als Fischer, der lasse sich gerne an Land begraben, so Albrecht. Auch viele Hinterbliebene, deren Ehepartner oder Elternteil ein Leben lang auf See unterwegs war, ließen den Verstorbenen lieber bei sich auf dem örtlichen Friedhof bestatten.

 

Auch die Großeltern Kapitän Albrechts haben ursprünglich mit der Fischerei ihr Geld verdient, 1965 kamen Seebestattungen hinzu, Benjamin Albrechts Vater hat das Unternehmen aufgebaut. Seit 2005 betreiben die Albrechts eine reine Seebestattungsreederei. Mit sechs Kapitänen führen sie Seebestattungen in der ganzen Nord- und Ostsee, seit einigen Jahren auch verstärkt auch im Mittelmeer und darüber hinaus durch. Dabei werden Schiffe von Partnerreedereien vor Ort gechartert, die Seebestattung führt ein Albrecht-Kapitän in deutscher Sprache durch. 

 

Der nächste Vorbereitungslehrgang zum „Geprüfter Bestatter“ beginnt im März 2022.